Roland Grüter | Fotografie

Atmende Steine

Als ich das erste Mal die Rosa Granitküste in der Bretagne besuchte und die vielen skulpturalen Steinformationen sah, faszinierte mich ihr Anblick sofort. Die Betrachtung der Steine aus verschiedenen Blickwinkeln offenbarte mir immer aufs Neue unterschiedliche formale Reize. Mal waren es Gesichter, mal Tiere oder andere Wesen, die sich beim Beobachten zeigten. Dass die Kräfte der Elemente diese Skulpturen erschaffen haben, ist kaum vorstellbar.


Mit der Zeit bekam ich den Eindruck, dass viele Steine in Richtung Meer schauen, gerade so, als seien sie einem Zauber erlegen, der verhindert hat, das rettende Meer zu erreichen. Andererseits könnte man denken, dass die Steine eine mythische Mauer an Wächtern bilden, um die kleine Stadt Trégastel vor den wilden Fluten des Meeres zu schützen.


Nun hat die Bretagne für einen Fotografen noch viel mehr zu bieten als skulpturale Steinformen verteilt in einem Küstenabschnitt. Das Licht! Die Farben des Lichtes zum Sonnenaufgang und am Abend zum Sonnenuntergang sind von einer besonderen Intensität und Schönheit.


August und September 2020 verbrachte ich in Trégastel, um Aufnahmen für ein Buchprojekt zu erstellen. Jeder Tag war geprägt von der Gezeitentabelle und den zu erwartenden Lichtverhältnissen, damit die Portraits der Steine auch im richtigen Licht stattfinden konnten. 


Ich finde, das war ich den alten, verzauberten Wesen schuldig, die heute immer noch am Meer ausharren ...

Im Tanz der Elemente

Wenn uns die unglaubliche Schönheit der elementaren Kräfte gefangen nimmt – dann erscheinen Worte belanglos. Wir halten die Luft an und geraten ins Staunen. Wir lassen die Natur um uns toben, leuchten, brausen und ruhen.


Die Aufnahmen für diese Buchprojekt sind auf La Palma entstanden. Als nordwestlichste Insel des kanarischen Archipels bietet sie die Gelegenheit, elementare Kräfte intensiv zu spüren. Der Norden ist unter anderem wegen der steilen Küstenlinie eine besondere Wetterscheide. Wenn der Passatwind im November imposante Wolken antreibt und über die Küstenregion bläst, ergeben sich wunderschöne Naturschauspiele. Im Westen steht die Sonne und treibt ihren Schabernack mit den tief hängenden Regenwolken.


Mit verschieden Belichtungszeiten versuchte ich, die Dauer eines Augenblickes einzufangen: die Zeitspanne, die notwendig ist, um Wasser in seiner Bewegung einzufrieren oder zu dynamisieren, um Wolken fliegen zu lassen oder als puschelige Wattebäusche zu zeigen. Es ist die Zeit, die notwendig ist, die Veränderlichkeit der Dinge durch unterschiedliche Lichteinwirkung sichtbar zu machen.



Mancherorts kam ich mir vor wie in einem großen Improvisationstheater. Nichts ist geprobt, nichts ist vorhersehbar, jede neue Szene birgt Überraschungen. Keine Szene lässt sich im Detail wiederholen und doch fügt sich alles zu einem wunderbaren Landschaftsensemble zusammen. Und das Schöne: Das Stück wird nie zu Ende sein!

Florales Licht

Ein Teil der Aufnahmen für dieses Postkarten- und Kalenderprojekt sind im Engadin entstanden. In der sub­­alpinen Stufe zwischen 1.500 und 1.800 m trifft man hier auf Magerwiesen, die zu den artenreichsten Lebensräumen der Schweiz gehören. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren ist regelrecht überwältigend. Arten- und blütenreiche Wiesen sind heute leider eine Seltenheit geworden. Sie wachsen auf nährstoffarmen Böden und sind das wundervolle Resultat eines nachhaltigen Umgangs mit der Natur.



Früher schmückte auch bei uns ein üppiges Blumenmeer die Wegesränder der Äcker. Blumen mischten sich als leuchtend rote und blaue Farbtupfen ins goldene Kornfeld. Seit Beginn des Ackerbaues begleiten Ackerwildkräuter die Landwirtschaft. Von der umfassenden Begleitflora der Äcker ist heute nicht mehr viel zu sehen. Die bunte Blütenpracht unserer Kornfelder ist rar geworden. Im Biosphärenreservat Schorfheide in Brandenburg kann man ihnen noch begegnen. Dort sind die vorliegenden Aufnahmen der Mohn- und Kornblumen entstanden.

Das große kleine Nichts

Der Architekt Mies van der Rohe schuf mit seinen Worten „Weniger ist mehr“ den Leitsatz des Minimalismus. Dabei geht es um die Konzentration auf das Wesentliche. Die Reduktion von Formen und Farben schafft Klarheit, nicht nur in den eigenen vier Wänden. Als Fotograf würde ich behaupten: auch bei der Bildsprache. Vor allem bei der Bildsprache!



Das große kleine Nichts möchte noch ein Stück weitergehen. Doch wie weit kann die Kunst des Weglassens gehen, bevor die große Langweile ausbricht und die Spannungsfelder in sich zusammenbrechen? Gelingt es dem Nichts in meinen Aufnahmen, unsere Sinne für das Wesentliche zu schärfen?

Aus der Werft

Wenn ich nicht auf Reisen bin oder projektbezogen im Atelier fotografiere, dann ist mein Dach über dem Kopf meine kleine Wohnung in der Werftstraße. Die Rubrik „Neues aus der Werft“ist nicht mit dem Anker eines Projektes verbunden, sondern navigiert ausschließlich auf Freizeit-Kurs mit der Freude am Fotografieren. Es sind meist Bilder aus der unmittelbaren Umgebung oder sie entstehen auf Tagesausflügen nach Brandenburg. Ahoi!

Morgens im Tegeler Fließ

Ein Berliner glaubt, seine Stadt zu kennen. Doch weit gefehlt: Mit dem Tegeler Fließ lernt auch er noch eine der abwechslungsreichsten Landschaften Berlins kennen. Fast mitten in der Stadt kann man hier zahlreiche, recht unterschiedliche Lebensräume erleben. Denn das Fließtal ist in weiten Teilen durch urwüchsige und vielfältige Bachauenlandschaft geprägt. Ausgedehnte Feuchtwiesen, Erlenbruch und Grauweidengebüsche bieten interessante Ausblicke zu jeder Tages-, Nacht- und Jahreszeit.

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